Die Faser der Brennessel als Schnur

 

Zahlreiche Funde belegen, dass die Brennessel von unseren Vorfahren als Faserpflanze sehr geschätzt wurde. Von Nesselresten in der Mittelsteinzeit bis zu Nesselstoffen seit der Eisenzeit lassen sich die Spuren der Nesselfaser zurückverfolgen. Auch der berühmte „Mann im Eis“ Ötzi verwendete für die Befiederung seiner Pfeile Brennesselfasern.

Brennesselfaser im Februar geerntet

Um 1200 war sie eine geschätzte Faserpflanze, aus der Seile, Garn, Stoff und Gewebe hergestellt wurden. Auch in Märchen von den Gebrüdern Grimm und Hans Christian Andersen spielt sie eine wichtige Rolle. In dieser Zeit begann auch die kommerzielle Nutzung der Faser.

Märchen erzählen auch von der Brennessel!

Während der Rohstoffknappheit im ersten und zweiten Weltkrieg griff man dankbar auf die Nesselfaser zurück und auch heute erlebt sie wieder eine Blütezeit, sei es für Survivalinteressierte oder für Menschen die nachhaltige und heimische Fasern bevorzugen.

Die große Brennessel (Urtica dioica)

ist gern in der Nähe des Menschen anzutreffen. Sie scheint es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, hinter uns aufzuräumen und wieder ins Gleichgewicht zu bringen! Vorallem an Plätzen wo wir unsere Abfälle und Ausscheidungen hinterlassen, oder alles durcheinanderbringen, ist sie anzutreffen.

Fällt dir vielleicht so ein Platz ein?

Dann kann es los gehen!

Wie gewinne ich Brennesselfaser?

Ideal sind lange und unverzweigte Brennesseln! Wenn du jedoch sofort eine Brennesselfaser benötigst und nur kleine und verzweigte Pflanzen anzutreffen sind, können die Ansprüche etwas runtergeschraubt werden.

Viele Insekten lieben Brennesseln genauso wie wir! Bitte achte darauf, dass deine Wunschpflanzen nicht schon von Raupen besetzt sind oder gar eine Seltenheit in dieser Gegend darstellen.

Brennessel gerade geerntet

Habe ich aber ein Brennesselfeld entdeckt, schneide ich die Pflanze dankbar ca. 10 cm über dem Boden ab. Sobald ich ein Bündel der Brennesseln beisammen habe, beginne ich mit einem Handschuh die Blätter abzustreifen. Samen und junge Triebe bzw. Blätter für’s Essen aufbewahren. Survivalkochen im Survival Basiskurs

Wenn ich die Fasern der Brennessel sofort benötige überspringe ich den Röstvorgang, lege die Faser frei und lasse sie trocknen. Durch Reiben zwischen den Händen geht teils die harte Außenhaut ab.

Ansonsten lege ich die Stengel in den Tau, am besten weg vom Boden, wenn möglich. Dieser Schritt nennt sich rösten und hilft die harte Außenhaut aufzuspalten, somit erhalten wir eine weiche Faser. Die Nesselfaser liegt zwischen äußeren Haut und dem holzigen Inneren. Der Röstvorgang bedarf einiger Erfahrung und kann zwischen 5 und 14 Tage dauern.

Wie weiß ich wenn die Brennessel fertig geröstet ist?

Am besten du testest von Zeit zu Zeit eine Brennessel, ob sie schon soweit ist. Zuerst trocknen, dann mit einem Rundholz flach klopfen, dann aufbrechen und die Faser von dem verholzten Teil befreien – das ganze bitte Stück für Stück machen, um eine möglichst lange Faser zu erhalten.

Anschließend reibst du das Bündel zwischen deinen Händen und kannst nach einiger Erfahrung fühlen, ob der Röstvorgang abgeschlossen ist. Falls die Faser noch zu rauh ist, weiter rösten, ansonsten alle Stengeln trocknen und wie oben verfahren. Bei zu langem Rösten verlieren die Fasern an Stabilität und Reißfestigkeit!

Wann ist die beste Erntezeit für Brennesseln?

Du kannst das ganze Jahr über Brennesseln für die Fasergewinnung finden. Im späten Frühjahr, wenn die Pflanze voll im Saft steht, löst sich die Faser wunderbar vom Stengel. Im Sommer kannst du bei der Ernte auch schon die Samen genießen. Der Vorteil im Spätherbst und Winter ist, dass die Brennesseln an idealen Standorten ganz alleine von der Natur geröstet werden, dann sparst du dir diesen Schritt sowie das Entblättern.

Verarbeitung der Brennessel zu Schnüren:

Die Brennessel zur Schnur verdrehen

Hast du ein Bündel Fasern beisammen? Dann kann es los gehen! Das Zwirnen ist die älteste Technik der Fadenherstellung, dafür benötigst du auch keinerlei Werkzeug außer deinen Händen! Zwei Faserbündel werden gedreht und dann gegenläufig miteinander verzwirnt. Je nach Wunsch, Vorliebe oder auch Verwendung können zwei verschiedene Drehrichtungen entstehen (links oder rechts gedreht). Achte darauf, dass die Faserstärke immer in etwa gleichbleibend ist. Falls ein Bündel zu dünn wird, einfach neue Fasern hinzugeben und weiterverzwirnen. So kannst du ein ganzes Knäuel Brennesselschnur herstellen und sie bei nächster Gelegenheit zum Einsatz bringen!

Eine stabile Brennesselschnur zum Feuer bohren

Viel Erfolg und Freude dabei, denn wir haben es in der Hand!

Grüsse Sandra

Im Survival Basiskurs zeigen wir unter anderem, wie Schnüre aus Pflanzenfasern hergestellt werden können.


Hans Müllegger

Wildnis- und Survivalschule Österreich. Gründung 1989. Survivalkurse bis hin zu Ausbildung im Leben in der Wildnis mit nur dem was wir am Körper tragen.

2 Comments

Rose Schnell · März 6, 2019 at 10:21 pm

Hallöchen! Ich habe dieses Jahr das erste Mal aus Brennesselsamen Mehl gemacht! Voriges Jahr war ich etwas faul und habe die Samen mit samt den Blättern abgezupft und getrocknet und nicht Blätter und Samen getrennt. Und nun habe ich in diesem Jahr Blätter und Samen in eine kleine Kaffeemühle getan und klein gemahlen. Das entstandene Mehl habe ich in alle möglichen Gebäcke und Suppen getan, es ist wirklich Klasse!
Viele Grüße von Rose

    Wildnisschule1 · März 7, 2019 at 9:23 am

    Hallo Rose,
    schön von dir wieder zu lesen, ja die Brennessel ist schon eine Wucht.
    Die hat alles was es braucht. Powerfood sage ich da mal
    Kaffeemühle ist eine gute Möglichkeit
    oder im Mörser zerreiben
    Wünsche dir viel Glück und Gesundheit
    Hans

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